Warum ich wieder mit dem Rauchen anfange.

Jeder Mensch braucht Idole. Vorbilder. Andere Menschen, an denen er sich orientieren kann, deren Integrität er (oder sie) bewundert. Auch denen er nacheifern kann. Oder einfach nur nachmachen. Oder die er (oder sie) neidlos anerkennt.

zigaretteschmidt
(Bild: © DIE ZEIT)

Nun gibt es im neuen Zeit-Magazin „Leben“ auf der letzten Seite immer ein Interview mit Helmut Schmidt, dem Giovanni di Lorenzo in einem Video nachsagt, er bestünde aus einem Konzentrat an Tugenden, da darf man ihm ein Laster, eine menschliche Schwäche gerne zugestehen.
Dem kann ich nur zustimmen.
Zustimmen wird man mir aber nicht, wenn ich daraus eine Rechtfertigung für mich ableite, wieder zu rauchen. Ich habe zwar auch so meine Tugenden aber niemand würde diesen schönen Satz von Giovanni di Lorenzo auf mich anwenden.

Kommen wir also zur Sache. In dem ersten Interview geht es gleich um den G8-Gipfel in Heiligendamm. Helmut Schmidt: „Demonstrationen dieser oder jener Art waren auch damals durchaus denkbar. Aber wir haben keinen öffentlichen Aufwand betrieben. Wir haben uns in einem Wohnzimmer getroffen, in einem Schlösschen außerhalb von Paris. Und die Medien wurden über viele Kilometer auf Abstand gehalten. Es kam auch niemand auf die Idee, seinem Mitarbeiter zu sagen: Geh mal raus und erzähl unserer Presse, was ich soeben gerade Kluges geredet habe. Es waren private Treffen, keine riesigen Trosse nahebei. Inzwischen sind die Gipfeltreffen leider verkommen zu Medien-Events, und die Teilnehmer sind selbst schuld daran.“
Das „Schlösschen“:

Château_de_Rambouillet

Das „Wohnzimmer“:
Wohnzimmer

Tja. Der Wortwahl kann man ja das gewohnte Hamburger Understatement entnehmen, aber es ist noch etwas anderes: Die Terminologie ist einfach cool. Nicht so, wie es heute auf die Jugendsprache und Handlungen angewendet wird, die teilweise asozial und wider alle Normen sind. Nein. Es ist in dem ursprünglichen Sinne zu verstehen: salopp zu einer ruhigen, beherrschten Aktion oder Art, beherrscht, gekonnt, gelassen, lässig, ruhig, souverän. Und dies kann man eigentlich nur sein, wenn man ein Zigarette in der Hand hält, oder?

Noch ein Beispiel? Gerne:
Im Anschluß an das eben Gesagte stellt Giovanni di Lorenzo die Frage: „Ist das ein Grund dafür, dass die Treffen so provozieren?“

Helmut Schmidt: „Wahrscheinlich ja. Was da verhandelt werden muss – zum Beispiel Globalisierung oder Rüstung und Abrüstung oder Klima –, ist allerdings schon Reizthema genug.“

Damit ist doch alles gesagt! Und im Anschluß an das Wort „Reizthema“ an einer Zigarette zu ziehen… Oh Mann! Solche Sätze entfalten doch erst die volle Wirkung im optischen Zusammenspiel mit einer brennenden Zigarette.

In keinem Western, in keinem Film der schwarzen Serie, nicht mit Marlowe, nicht mit Bogart entfaltet eine Zigarette eine ähnliche Wirkung wie in der Symbiose mit den Worten von Helmut Schmidt.

„Was sagen Sie denn heute den Hunderttausenden Jugendlichen, die behaupten, die Industrienationen bewahrten ihren Wohlstand auf Kosten der armen Länder?“

„Der Vorwurf ist durchaus gerechtfertigt. Andererseits bleibt unklar, wie man diesem Vorwurf entsprechen könnte. Wenn den Entwicklungsländern in Asien, Lateinamerika und Afrika durchgreifend geholfen werden soll, dann müsste das zulasten des Lebensstandards in den wohlhabenden Ländern gehen. Aber hier würden die Regierungen abgewählt, wenn sie eine wesentliche Verringerung des Lebensstandards in Kauf nehmen sollten. Deswegen tun sie es nicht. Hier liegt einer der eingeborenen Fehler der Demokratie.“

Eingeborener Fehler der Demokratie. Zigarette. Das hat doch was. Rauchen ist ein Genuß. Rauchen ist eine Sucht. Hierher kommen jetzt alle Allgemeinplätze über das Rauchen. Eine meiner Grundtugenden ist es, an der richtigen Stelle faul zu sein. Das Buch „Der Garten für intelligente Faule“ kann nicht von mir sein, weil ich zu faul war es zu schreiben. Nichts gegen Karl Ploberger. Als wir seinerzeit im Foerster Garten bei der Buchvorstellung zusammensaßen, waren wir uns einig, einen eigentlich erstrebenswerten Zustand eines Gartens nur durch Unterlassen an der richtigen Stelle zu bekommen. Ganz im Gegensatz zur Philosophie von Karl Foerster, der ja gesagt hat, „Auch ein kleiner Garten ist eine endlose Aufgabe.“ und „Es besteht keine Gefahr, daß die Arbeit im Garten allzu gering wird.“ oder: „Wer mit seinem Garten schon zufrieden ist, verdient ihn nicht.“
Andererseits hat er auch gesagt: „Die Natur hat lieber jemanden, der sich mit einem fruchtbaren Garteneinfall aus der Hängematte erhebt, als jemanden, der den ganzen Tag ohne Einfall im Garten umherrast.“
Juchhu! Noch eine Zigarette!
Karl Foerster war Nichtraucher.

„Lieber Herr Schmidt, müssen die Deutschen wieder Angst haben vor den Russen?“

„Die Antwort ist: Nein. Russland ist eine große Macht, aber seit der Implosion der Sowjetunion haben die Russen ihre Grenzen niemals überschritten. Das hatten sie früher am laufenden Band getan.“

Loriot

„Manche Sozialdemokraten empfanden gleichwohl die Vorstellung einer schwarz-roten Koalition unter Kiesinger als widernatürliche Unzucht.“

Schnupftabak.

Nun, das ist hier aus dem Zusammenhang gerissen, weil es nicht dort zu finden ist, wo die Zigarette qualmt, sondern am 03.04.2006 hat Helmut Schmidt vor der SPD-Bundestagsfraktion Klartext gesprochen: Über Große Koalitionen und darüber, woran der Erfolg von Schwarz-Rot einst gemessen werden wird.

„Was ist die größte Gefahr für die internationalen Börsen?“

„(…) innerhalb weniger Tage haben sich Banker in aller Herren Länder verhalten wie eine Herde Schafe auf dem Deich im Vorland von Husum. (…)“

Zigarette.

Also, Vorbild hin. Vorbild her, da kann Helmut Schmidt mehr als 70 Jahre geraucht haben, ich fange nicht wegen ihm wieder an zu rauchen, sondern weil es einfach die Symbiose ist. Aber deswegen fange ich auch nicht wieder an. Ich lasse es bleiben, weil es gesundheitsschädlich ist.
Punkt.
(Basta)

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